MICE Today II | Die 10 größten Mythen und Vorbehalte
Nachdem wir uns in der vergangenen Ausgabe in einem ersten Beitrag der Bedeutung, den Zielen und den Benefits von Automatisierung gewidmet haben, möchten wir uns heute mit den gängigen Mythen im Kontext Automatisierung auseinandersetzen. Geht es um Automatisierung, begegnet man immer wieder bestimmten Vorurteilen und Ressentiments und dabei spielt die Branche eigentlich fast keine Rolle. In unserer Funktion als HSMA Expertenkreis Mitglieder haben wir eine relativ breite Sicht auf unsere Industrie und möchten heute hier die Klassiker der Vorbehalte aus dem MICE-Bereich vorstellen und endlich mit diesen aufräumen.
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I. "Wie soll denn die Maschine das entscheiden?"
Immer wieder hören wir von der „Maschine“. Wer oder was ist denn aber eigentlich die Maschine? Die Maschine ist in aller Regel eine Software, die bestimmte Punkte und Szenarien berechnet oder tatsächlich entscheidet. Dabei entscheidet „die Maschine“ aber nicht willkürlich - also nach Bauchgefühl, sondern berechnet fundiert auf Basis von Zahlen, Erfahrungswerten und Einstellungen, die das Hotel / der Mitarbeitende vorab definiert hat.
Entscheidet ihr euch also eine solche Software zu nutzen, die euch beim Thema Automatisierung unterstützt, dann ist diese Software in aller Regel sehr fein einstellbar. Meist lassen sich Automatisierungs-Regeln sehr granular aufsetzen und definieren, so dass ihr ganz genau festlegen könnt, in welchen konkreten Fällen und was genau, „die Maschine“ überhaupt Entscheidungen treffen soll. Seid also beruhigt: die Maschine entscheidet nur das, was ihr ihr beigebracht habt.
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II. „Der Bucher übernimmt die Macht, das Hotel verliert seine Kompetenz/Kontrolle”
Wie bereits oben beschrieben, lernt ein System, das zur Automatisierung genutzt wird, zunächst von den Eingaben des Menschen, der es bedient. Und auch wenn es mittlerweile Automatisierungsmechanismen gibt, die durch künstliche Intelligenz ergänzt werden, liegt die „Hoheit“ über ein solches Tool dennoch auf Seiten desjenigen, der es einsetzt. Restriktionen und Verfügbarkeitseinstellungen werden aktiv gesteuert und somit kann nur gebucht werden, was auch vom Hotel freigegeben ist.
Die Automatisierung zwingt uns, allgemeinverbindliche Regeln für das Verkaufen von Veranstaltungsflächen zu definieren und bringt eine stringente Verkaufsstrategie mit sich, die über jeweilige Persönlichkeiten hinaus einheitlich ist.
Interessant bei diesem Mythos ist, dass wir in der Hotellerie vor vielen Jahren eine ähnliche „Angst“ hatten, als es um die automatisierte Buchung von Zimmern ging. Viele Hoteliers konnten sich nicht vorstellen, dass eine Buchung über ein externes Portal oder die eigene Homepage selbständig getätigt wird, sich dann ins eigene System einspielt und das auch noch zu den Bedingungen und Raten, die er selbst aufgestellt hat. Man möge sich kurz vorstellen, welche Aufwände nötig wären, wenn heute jede einzelne Reservierung noch manuell ins PMS eingegeben werden müsste und all diese Gäste auch noch einzeln anrufen würden ;-)
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III. "Ich hab doch mein Bauchgefühl!“
Ja, und das ist auch gut und wichtig so! Denn dieses Bauchgefühl bzw. besser diese Berufs- und Markterfahrung spielt immer noch eine Rolle. In den meisten Fällen unterstreicht sie die Automatisierung, wenn sie einmal richtig angestoßen und in vollem Gange ist. Denn auch dieses „Bauchgefühl“ kann in allgemein gültige Regeln übersetzt werden. Darüber hinaus wird es in der Zukunft immer wieder Entwicklungen, Ereignisse oder Einflüsse geben, die eine Maschine nicht einkalkulieren kann. Hier kommt der Mensch mit seiner Erfahrung ins Spiel und kann dem System erneut „etwas beibringen“.
Falls Ihr außerdem mal im Urlaub oder abwesend sein solltet, dann ist das euer „Bauchgefühl“ auch. Die „Maschine“ hingegen ist in der Regel immer verfügbar und macht keinen Urlaub.
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IV. “Darf ich dann nicht mehr selbst entscheiden”?
Weit verbreitet ist auch, dass Mitarbeiter*innen befürchten, nicht mehr selbst entscheiden zu können. Dem ist natürlich nicht so. Ihr könnt entscheiden, welche konkreten UseCases automatisiert werden sollen und was genau überhaupt in besagten Szenarien passieren soll.
Es verschiebt sich lediglich Euer Tätigkeitsfeld: habt Ihr bisher jede Entscheidung in jedem Szenario einzeln treffen müssen, so trefft ihr im Kontext der Automatisierung nur noch grundsätzliche Entscheidungen darüber, wie künftig automatisiert entschieden werden soll.
Die Zeit, die durch die individuelle Beantwortung einzelner Anfragen gewonnen wird, kann in strategische Arbeit investiert werden.
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V. "Wer füttert die Maschine?"
Damit Eure Software in der Lage ist euch zu unterstützen, muss diese individuell auf euren Markt und eure Strategie eingerichtet werden oder ggf. mit Daten (aus der Vergangenheit) und Einstellungen aufgesetzt bzw. „gefüttert“ werden.
Denkt daran: ein automatisiertes Programm ist nur so gut, wie ihr es dazu befähigt.
Oder auch: „Shit in = Shit out”
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VI. “Wir haben keine Zeit! Wir unterstützen aktuell so viel in der Operative, da bleibt keine Zeit für neue Prozesse.”
Einer der häufigsten Mythen ist die Aussage, dass „wir keine Zeit haben“.
Ja, uns geht es allen so - Zeit ist knapp und gerade Post-Corona haben wir gefühlt alle noch mehr auf unseren Schreibtischen bzw. z.T. weniger Mitarbeitende.
Aber: wenn wir darauf warten, bis wir mal irgendwann genug Zeit haben, um uns mit neuen Prozessen oder neuen Tools zu beschäftigen, dann warten wir vermutlich vergebens. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, als sich jetzt ,mit Automatisierung zu beschäftigen. Denn je eher ihr euch mit neuen Abläufen oder Produkten beschäftigt, desto schneller kommen diese auch zum Einsatz, desto schneller können diese euch in eurer täglichen Arbeit unterstützen und umso schneller werdet ihr von deren Mehrwerten profitieren und wieder mehr Zeit haben, für die Dinge, die keine Maschine übernehmen kann: den persönlichen Kontakt zu unseren Gästen!
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VII. "Wir werden zu hirnlosen Idioten! / Es wird nur noch “eingetippt”
Ein primäres Ziel von Automatisierung ist, sich wiederholenden Tätigkeiten abzuschaffen. Ziel von Automatisierung ist nicht, uns zu „hirnlosen“ Idioten zu machen, sondern eben diese einfachen, wiederkehrenden Aufgaben von uns zu übernehmen. Dabei geht es vielmehr darum, auf der einen Seite die Mitarbeitenden zu entlasten, damit diese sich auf strategische Aufgaben sowie die Beratung von Planern konzentrieren können und auf der anderen Seite darum die Kundenerwartung nach u.a. einer schnellen Reaktionszeit zu erfüllen.
Wir bitten euch speziell bei dieser Frage darum, euch selbst in die Rolle des Buchenden/Planenden zu versetzen und euch vorzustellen, welche Erwartungen ihr habt. Davon ausgehend, dass jeder von euch zumindest teilweise online einkauft, gibt es eine Menge Erfahrungen mit voll automatisierten Buchungsprozessen, bei denen i.d.R. das gewünschte Produkt oder die gewünschte Leistung direkt angezeigt und wenn verfügbar, auch gleich buchbar gemacht wird.
Entsprechend ist die Tatsache, dass Anfragen in Hotels und Locations für Meetings & Events teilweise eine Beantwortungszeit von mehreren Tagen haben, nicht zeitgemäß und führt somit zu einem mehr als unbefriedigenden Kundenerlebnis. Im schlechtesten Fall hat der Kunde bereits woanders gebucht.
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VIII. "Werde ich wegrationalisiert?”
Ganz klar: NEIN! Es ist vielmehr (wie auch schon oben beschrieben) eine Art Umschichtung der Aufgaben. Zeit, die bisher in den einzelnen Anfrage-/ Buchungsprozess geflossen ist, kann nur für strategisches Arbeiten und die Kundenberatung genutzt werden.
Und auch hier die Bitte: Hinterfragt euch doch mal, WAS genau an eurem Job euch Spaß macht und warum ihr ihn gewählt habt? In der Regel nicht, weil ihr tagtäglich in eine übervolle Inbox schaut und nicht wisst, wie ihr der Flut an E-Mail Anfragen bewältigen sollt.
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IX. "Tagungen & Events sind viel zu komplex zum Automatisieren” - zu viele Faktoren
Zunächst einmal: JA, das stimmt natürlich, wenn man ein Meeting mit einer einzelnen Übernachtung vergleicht.
Wenn ihr allerdings an eine Urlaubsreise mit 4 Personen inklusive Flug, Mietwagen, Halbpension, Wellnessanwendung und ggf. noch Ausflügen vor Ort denkt, relativiert sich die Komplexität bereits. Oder die Konfiguration eines Autos…
Ein großer Anteil aller Tagungsanfragen in Deutschland – ca. 70% - betreffen Veranstaltungen mit einer Anzahl von weniger als 30 Personen. Das ist Geschäft, welches in aller Regel sehr gradlinig, wenig komplex und standardisiert ist. Und hier kann die Automatisierung am besten unterstützen.
Je größer und/oder komplexer die Veranstaltungsanfrage ist, desto geringer ist der Automatisierungsgrad. Eine kleine, ein- bis mehrtägige Veranstaltung mit wenigen Teilnehmern kann über die verschiedenen Prozessschritte hinweg sehr gut automatisiert werden. Größere Kongresse und Konferenzen mit vielen Teilnehmern sind hingegen oft viel komplexer, sodass eine persönliche Beratung und Betreuung nicht nur gewünscht, sondern auch notwendig ist. Und dafür benötigen wir Zeit!
Aber auch hier kann die Automatisierung in einzelnen Prozessschritten sinnvoll unterstützen, z.B. beim Teilnehmermanagement.
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X. “VA und Events sind ein emotionales Thema und brauchen eine menschliche Komponente/Bezugsperson”
Das ist absolut richtig!
Und um genau dieser menschlichen Komponente beim weiteren Verkaufs- und Entscheidungsprozess, der Beratung während der Detailplanung und der Betreuung vor Ort Raum und vor allen ZEIT zu geben, muss euch die Automatisierung an anderen Stellen entlasten.
MICE Today II | Die 10 größten Mythen und Vorbehalte
- 05.07.2023