Das Kernsystem zum Gastdaten-Handling
In welchem System sollte der Gast im Fokus stehen?
Eine erfolgreiche Einführung von IT-Systemen setzt voraus, dass es eine klare Strategie der Anordnung der Systeme sowie der Datenflüsse zwischen den Systemen vorliegt. Neben der übergreifenden Systemlandschaft sollte genau definiert werden, welches System als Kernsystem dient.
In welchem System fließen alle vorhanden Gastdaten zusammen und bilden das zentrale Gastprofil? Auf Grundlage dieser Entscheidung sollten Sie im nächsten Schritt die Verknüpfung und Nutzung Ihrer Systeme aufbauen.
Ziel sollte hierbei immer sein, dass isolierte Datensilos der Vergangenheit angehören. Nur so kann gewährleistet werden, dass die im Hotel vorhanden Gastdaten gewinnbringend genutzt werden können. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Hotels mit sog. Legacy Systemen arbeiten, liegt im folgenden Artikel hierauf der Fokus.
Was ist ein Kernsystem?
Das Kernsystem ist das führende System innerhalb der IT-Landschaft in einem Hotel bzw. einer Hotelkette. Entscheidend ist hier, dass dieses System als Herz aller Systeme das „Sagen“ hat und im Zentrum der Datenströme steht. Es übernimmt die Datenhoheit in Bezug auf alle relevanten Gastdaten. Es sammelt, verarbeitet und ordnet alle im Rahmen der Reservierung, des Aufenthaltes und nach der Abreise anfallenden Daten des Gastes und ermöglicht einen umfassenden Überblick. Das Kernsystem ist nicht unbedingt das System, das auch die innerbetrieblichen Abläufe steuert, muss aber zwingend Schnittstellen vorhalten, um die relevanten Daten in alle Richtungen auszutauschen - optimal wird dies mit einer 2-Wege-Schnittstelle umgesetzt.
Welche Systeme kommen als Kernsystem zum Gastdaten-Handling in Frage?
Für Einzelhotels und kleinere Ketten ist es möglich, das PMS oder das CRM-System als Kernsystem zu nutzen. Größere Hotelketten haben zudem die Möglichkeit, das zentrale Profil im CRS zu verwalten.
Das CRM als Kernsystem
Da das Kernsystem alle relevanten Informationen über den Gast bündeln soll, kommt hier vor allem das CRM-System in Frage. Hier werden transaktionelle Daten, Zufriedenheitsindizes, Profildaten sowie Präferenzen, Interessen und z.B. Website-Verhalten konsolidiert und anschließend ein zentrales Gastprofil erstellt. Insofern ist ein Unternehmen basierend auf diesem Profil in der Lage, vielfältige Erkenntnisse zu erlangen (Wer sind meine profitabelsten Gäste?), Kommunikationsmaßnahmen zu planen und umzusetzen (Welche Zielgruppe interessiert sich für Golf?), aber auch operative Prozesse durchzuführen (Wer reist heute noch an und hat spezielle Präferenzen?).
Das PMS als Kernsystem
Ein weiteres mögliches System ist das PMS. Dies gilt vor allem, wenn der Schwerpunkt des Kernsystems mehr auf die Operative gelegt werden soll.
Ein PMS als Kernsystem hat gerade für kleinere Hotels den Vorteil, dass egal auf welcher Organisationsebene immer nur ein System genutzt werden muss. Somit stehen die Daten grundlegend allen Mitarbeitern abteilungsübergreifend zur Verfügung, ohne das System zu wechseln oder unterschiedliche Logins vorzuhalten.
Ist das PMS mit einer entsprechenden BI (Business Intelligence)-Funktion / Reportings ausgestattet, lassen sich hierüber (wenn auch extern) Daten gruppieren, analysieren und für die notwendige Strategieplanung nutzen.
Die Ausführung der Strategie erfolgt dann wieder im PMS mit angeschlossenem Kommunikationssystem.
Bei größeren Ketten ist die Infrastruktur meist um das CRS gebildet, da dies oft auch eine Eigenentwicklung ist und notwendige Abläufe für alle angeschlossenen Hotels sowie Callcenter und Offices standardisiert.
Expertenkreis-Fazit:
In den letzten Jahren nimmt die Bedeutung des Legacy PMS innerhalb der Hotelunternehmung immer weiter zugunsten anderer, zukunftssicherer gebauter Systeme wie dem CRM und dem CRS ab, weswegen das PMS in Zukunft als Kernsystem eine nachrangige Rolle spielen wird. Laut einer Studie sind auch Hotelketten der Meinung, dass das CRM das PMS innerhalb der nächsten Jahre als Kernsystem ablösen wird. (Studie h2c - Global CRM & Guest Data Management Study – August ´19). An dieser Stelle möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass es mittlerweile zeitgemäßere PMS gibt, die vielen der aktuell geforderten Ansprüchen gerecht werden
Welche Vor- und Nachteile haben diese Systeme, wenn sie als Kernsystem genutzt werden.
Vorteile CRM als Kernsystem:
- Ganzheitliches Bild des Kunden aus Marketingsicht
- Konsolidierung der Datensilos führt zu präziseren Analysemöglichkeiten
- Gastfokussierung für das Unternehmen wird systemseitig möglich
- Anschluss vieler Datenquellen möglich – CRM Anbieter sind meist flexibler als PMS-Unternehmen
- Bei Hotelketten können heterogene PMS Daten harmonisiert werden
- Ausgangspunkt ist das eine zentrale Profil des Gastes anstatt der operativen Betrachtung wie im PMS
- Höhere Datenqualität durch umfassende automatisierte Bereinigungsprozesse
- Grundlage für effiziente Gastkommunikation durch Marketingschwerpunkt des Systems
- Datenauswertungen basierend auf bereinigten Daten sind aussagekräftiger
Nachteile CRM als Kernsystem:
- Schnittstellen zum PMS oder anderen Distributions und Marketingkanälen oftmals nicht zeitgemäß
- In vielen Fällen besteht keine funktionierende 2-Wege Schnittstelle zum PMS, was die Datenqualität- / Parität in beiden Systemen reduziert
- Weiteres System, das zusätzliches Know-How auf Userseite benötigt
- Wird selten bei der Arbeit „am Gast“ (Front Office, Reservierung, Guest Experience) verwendet, wo jedoch akute Fälle eintreten, bei denen ein ganzheitliches Kundenbild hilfreich wäre, bspw. zur Priorisierung von Anliegen oder Kulanzentscheidungen (z.B. höhere Kulanz bei Stammkunden)
- Umfassendes Wissen notwendig, um das Potential des CRM als Kernsystems unternehmerisch nutzen zu können
- Branchenspezifische Systeme werden meist nicht in real-time aktualisiert
- PMS als weiteres System zwingend notwendig – CRM kann nicht alleine genutzt werden
Vorteile PMS als Kernsystem:
- Verwaltung der aktuellen Reservierungsdaten
- direkte Integration mit allen innerbetrieblichen Systemen
- traditionelles Hotelsystem und somit zwingend notwendig für operative Prozesse (System ist im Hotel vorhanden - keine Zusatzkosten für weiteres System notwendig)
- Neuere, vor allem Cloud-basierte PMS-Systeme bieten offene Schnittstellen für die Integration von weiteren Systemen an
Nachteile PMS als Kernsystem:
- Betrachtung „größerer Zusammenhänge“ nicht möglich (notwendige Tiefe fehlt bei vielen PMS-Systemen)
- z.B. nur über ein zusätzliches BI-System möglich
- zu wenig Datenfelder zur Anreicherung der Gastprofile mit relevanten Informationen vorhanden
- Gast-Kommunikation nur eingeschränkt möglich - weitere Systeme notwendig
- Detaillierte Reportings / Auswertung sind bei den Legacy Systemen meist nicht im Standardumfang enthalten und müssen programmiert werden (sofern dies möglich ist)
- Systemstruktur für operative Nutzung ausgelegt und nicht für das Sammeln von Gastdaten wie z.B. Klicktracking, Fragebogenergebnisse…
- Keine automatischen Prozesse für intelligente Profilanreicherung/AI
Was ist hierbei vor allem bei Einzelhäusern, kleinen Ketten oder großen Ketten zu beachten? Gibt es hier unterschiedliche Ansätze?
Generell ist zu sagen, dass ein CRM-System für alle Arten von Hotels als Kernsystem einen Mehrwert schaffen kann. Bei sehr kleinen Einzelhäusern sollte jedoch die Rentabilität überprüft werden, denn häufig können hier auch zahlreiche Funktionen über das PMS in Kombination mit einem Marketingtool erreicht werden.
Bei Individualhotels ab einer gewissen Größe bzw. mit Outlets wie Wellness, Golf etc. macht das CRM-System als Herz definitiv einen großen Unterschied in der Möglichkeit der Datennutzung. Ebenso verhält es sich bei Ketten. Hier ist ein CRM im Zentrum der Systeme mittlerweile fast essenziell geworden. Wichtig ist es hier jedoch sicherzustellen, dass die gewählte Lösung in der Lage ist, die ggf. großen Datenmengen zu verarbeiten und hier nicht an seine Grenzen stößt.
Bei größeren und internationalen Hotelketten liegt der Fokus auf der übergreifenden Verfügbarkeit von zentralen Daten und Strukturen. Hier verliert das klassische PMS seinen Stellenwert, da es übergeordnete Abläufe nicht bedienen kann, sondern nur lokal vor Ort einsetzbar ist. Daher ist hier das CRS meist das sinnvolle Kernsystem, sofern es über einen hohen Grad der Integration an die angeschlossenen Systeme verfügt und auch die Datenpunkte daraus sowohl speichern als auch verarbeiten kann.
Expertenkreis-Fazit:
Generell ist zu sagen, je älter das PMS, je umfangreicher die angebotenen Leistungen im Haus und je vielschichtiger die Gästesegmente sind, umso dringender sollte ein CRM als Kernsystem implementiert werden. Weiterhin ist der Grad der Kommunikation ein Kriterium. Je umfangreicher, sowohl inhaltlich als auch kanalübergreifend, die Kommunikation geführt wird, desto schwieriger wird dies nur mit dem Leistungsumfang eine PMS. Generell sollte hier jedoch künftig genau betrachtet werden, wie die Erkenntnisse aus dem CRM auch im operativen Ablauf sinnvoll genutzt werden können, um den persönlichen Service zu verbessern und akute Herausforderungen „am Gast“ besser lösen zu können.
Das Kernsystem zum Gastdaten-Handling
- 13.10.2021