Interview: Digitalisierung, wo es Sinn macht


Digitalisierung und Automatisierung sind in aller Munde.
Die häufigsten Fragen, die an uns als Verband herangetragen werden, sind: An welcher Stelle können wir mit Automatisierung Erfolge erzielen? Wo macht es Sinn? Die Antwort ist häufig: überall.

Ein großer Zeitfresser in der täglichen Arbeit eines Hotels sind zum Beispiel Reservierungsanfragen. Gerade auch, wenn die Reservierung gerade nicht besetzt ist oder in Hochzeiten, geht viel Zeit verloren, um Anfragen zu beantworten. Hier lässt es sich gut ansetzen.

Im Gespräch mit HSMA Mitglied Ralf, Director of Operations bei McDreams und Brendan, Managing Director at Hotel Res Bot, haben wir den Einsatz sowie die Implementierung eines Reservierungs-Automatisierungstools einmal genauer unter die Lupe genommen.


HSMA: Ralf, warum genau habt ihr euch dazu entschieden, im Bereich der Reservierung anzusetzen und eine Automatisierung anzustreben?

Ralf: Diese Entscheidung war Teil einer zentralen Entscheidung im Change Management. Im Jahr 2019 haben wir uns entschieden, einige Abteilungen für alle unsere Häuser zu zentralisieren, darunter auch die Reservierung, in welcher es u.a. um Schnelligkeit und Effizienz geht.
Häufig werden die gleichen Fragen gestellt und warum soll ein Mitarbeiter, der ggf. auch Schwierigkeiten hat, in diversen Sprachen Antwort-Emails zu verfassen, diese beantworten müssen? Dies gleicht schnell einer Art Fließbandarbeit und lässt sich eben leicht automatisieren. Zugleich hat es den positiven Effekt, dass der Mitarbeiter, unabhängig von seinen Sprach- und Grammatikkenntnissen, durch die automatisierte Erkennung des E-Mail Inhaltes in seiner Antwort unterstützt werden kann.


HSMA: Oft wird der Fachkräftemangel als Grund für Automatisierung genannt: ist das bei euch kein Grund?

Ralf: Doch, da bin ich ganz ehrlich: das Rekrutieren von Mitarbeitern wird auch nicht leichter, sodass Effizienz auch hier eine große Rolle spielt. Technik ersetzt vielleicht in wenigen Fällen Mitarbeiter, sondern ergänzt und kann unterstützen.
Uns ist es wichtig, dass unsere Mitarbeiter Zeit und Raum haben, Gäste zu begrüßen, Gastgeber zu sein etc. Daher ist bei uns die Entscheidung für eine Automatisierung im Back Office Prozess gefallen und gegen den Ersatz eines Front Office Mitarbeiters durch einen Automaten.


HSMA: Ist ein Reservierungs-Bot das gleiche wie ein Chatbot?

Brendan: Nein, ein Chatbot funktioniert anders, auch, wenn ein ResBot auch wiederkehrende Fragen beantwortet, ist er mehr als das.

HERA liest die gesamte E-Mail mit Hilfe einer speziell trainierten künstlichen Intelligenz (KI), die zum Beispiel zwischen der Anzahl der Zimmer und der Anzahl der Gäste unterscheiden kann. Sie prüft dann die Raten und Konditionen aus dem CRS oder PMS und erstellt ein Angebot - das vom Agenten genehmigt und personalisiert wird - oder vollautomatisch versendet wird, wenn sie die Erlaubnis dazu erhält. .
Eine E-Mail in voller Länge lesen und verstehen zu können, erfordert eine ganz andere KI als die eines Chatbots, bei dem meist Schlüsselwörter die Kommunikation bestimmen. HERA ist sogar in der Lage, auf die Anzahl der Gäste zu schließen, wenn der Buchende vergisst, sie zu nennen.


HSMA: Gibt es auch Gemeinsamkeiten mit einem Chatbot?

Brendan: Ja, beide greifen auf ähnliche Inhalte zurück und haben das Ziel, dem Gast schnellstmöglich eine hochwertige Antwort zu liefern – nämlich die Antwort auf seine (An-)Frage.


HSMA: Hochwertig ist ein gutes Stichwort. Ist die Antwort so hochwertig wie die, wenn der Gast einen persönlichen Kontakt hätte?

Ralf: Absolut. Das Halten bzw. die Steigerung der Qualität ist für uns das wichtigste Argument für den Bot. Durch den Einsatz haben wir eine immer gleichwertige Qualität, gekoppelt mit einer schnellen Antwortzeit.

Denn – so schade das ist – nicht jeder Mitarbeiter, der vor Ort ist, kann dem Gast alle Informationen sofort verständlich liefern. Das kann eine Frage der Erfahrung sein aber auch eine Frage der Aus- oder Muttersprache. Gerade einem non-native Speaker erleichtert der Bot die Kommunikation.

Brendan: auch sicherheitsrelevante Standards können leicht verbessert werden. Denken wir u.a. an die Abfrage von Kreditkartendaten. So ist der Bot beispielsweise zu 100 % PCI- und GDPR-konform.


HSMA: Wenn wir über den Einsatz von Automatisierungs-Software reden, dann denken wir oft an „Machine-only“. Ist das so?

Brendan: Nein, im Gegenteil. Zwar kann der Bot voll automatisch handeln, aber tatsächlich wird er oft als Ergänzung zum persönlichen gesehen.

In einem 5-Sterne Hotel übernimmt der Bot z.B. das Zusammentragen der Fakten wie zum Beispiel welche Raten sind verfügbar. Vor Versand der E-Mail investiert der Mitarbeiter dann allerdings seine Zeit in die Individualisierung der E-mail drum herum. Die Zeit, die Fakten zusammenzutragen hat er gespart und ist dadurch viel effektiver.


HSMA: Was ist für euch Zukunftsmusik?

Brendan: Ein Punkt, der auf der Agenda steht, ist ganz klar die Personalisierung. Das System sollte z.B, auf das Gastprofil im CRM oder PMS zurückgreifen können und erkennen, dass dies ein Stammgast ist. o.ä.. Das geht aktuell noch nicht.


HSMA: Was waren die größten Herausforderungen in der Implementierung?

Ralf: Die Mitarbeiter. Diese müssen überzeugt werden. Davon, dass sie nicht ersetzt werden und dass das Tool sie unterstützt, statt mehr Arbeit zu machen. Der Mensch ist generell kein Freund von Neuem und daher ist bei der Implementierung Ruhe und Geduld gefragt.
Wir z.B. haben ein Pilot-Team gegründet: eine Mischung aus Reservierung & FO Mitarbeitern, die sich lange vor dem ersten richtigen Einsatz mit dem System auseinandergesetzt haben.


HSMA: Es kamen sicher viele Fragen auf – wie seid ihr damit umgegangen?

Ralf: Alles im Bereich Backend-Konfiguration ist schnell lösbar. Viele der Fragen gingen in die Richtung: Wieso reagiert das System so? Bei Anfrage XY: warum wurde das Angebot nicht erstellt oder warum werden gewisse Informationen nicht angezeigt?
Dies haben wir durch sehr viel Testen gelöst. Die Mitarbeiter haben den Bot live getestet und konnten so viele Herausforderungen selbst herausfinden und durch Konfiguration im Backend lösen. Das trug dazu bei, dass alle das System kennen lernten, was uns natürlich jetzt zugute kommt.

Brendan: Wichtig ist, sich die Zeit für die Validierung zu nehmen und einen Schritt nach dem anderen zu machen, klar und offen zu kommunizieren.


HSMA: Gibt es noch „angenehme Nebeneffekte", über die wir noch nicht gesprochen haben?

Ralf: Ja, absolut. Wir können erkennen, wie viele Emails durch das System beantwortet wurden und zu welcher Zeit. Das erleichtert uns zum einen die Personalplanung und zum anderen haben wir eine super Ergänzung zu unserem Reporting in Bezug auf das Gästeverhalten. Systeme liefern Daten & Fakten, für alle #Reportingnerds ist das sehr spannend.


HSMA: bei all dem Reden über Automatisierung wirft sich uns erneut die Frage auf: Welche Skills brauchen unsere Mitarbeiter zukünftig? Wie seht ihr das?

Ralf: Wir können uns in der Aus- und Weiterbildung ganz klar auf Themen wie direkte Kommunikation und Persönlichkeit fokussieren, da die technische Arbeit vom System übernommen wird.

Brendan: Und natürlich sind auf der anderen Seite technische Skills gefragt. Menschen müssen wissen, wie Systeme funktionieren. Denn: Wenn es ein Problem gibt, ist meistens nicht das System der Ursprung, sondern wie es aufgesetzt ist!


Vielen Dank, lieber Ralf und lieber Brendan für das Teilen Eurer wertvollen Insights.


Und nun, liebe #HSMAfamily, seid Ihr gefragt:

Schickt uns Eure Meinungen, Fragen und erzählt uns, zu welcher Art von Automatisierung oder Digitalisierung ihr gern mehr erfahren möchtet.



Interview: Digitalisierung, wo es Sinn macht
  • 14.10.2022

Bleibt immer auf dem Laufenden

mit unserem HSMA Newsletter