Eine persönliche Geschichte
Kerstin Ehmer aus dem Parkhotel Landau hat Ihre persönliche Geschichte rund um die Pandemie als Mitarbeiterin in der Hotellerie erzählt.
Mit ehrlichen Worten erzählt Euch Kerstin wie Sie den Beginn der Pandemie empfunden hat, die Entwicklung erlebt hat und die Ausssichten für die Zukunft sieht. Ein toller kurzweiliger Bericht den es zu lesen lohnt
Wie erfolgreich lief Ihr Betrieb vor Beginn der Pandemie und wie stellte sich dieser Erfolg dar?
Ich erinnere mich daran, dass wir noch im Januar & Februar bei unseren wöchentlichen Meetings darüber gesprochen haben, dass das Jahr 2020 bisher erfolgreich begonnen hat und der weitere Ausblick auf die kommenden Monate durchweg positiv und meist weit über dem prognostizierten Zahlen lag. 2019 hatten wir rund 30.000 Übernachtungen verbucht. Sowohl im Tagungsbereich, & Logis Bereich als auch im F&B durch unsere neue Location Brasserie Wein & Dein waren wir sehr positiv gestimmt. Die hoteleigene Catering Marke „handgemacht Catering“ stand eine erfolgreiche Hochzeits-Saison bevor. Die ersten Planungen für ein Pop-Up Restaurant wurden aufgenommen.
Das Thema „Corona“ wurde öfters kurz angesprochen, aber die Befürchtungen, dass dieser Virus sich zu einer weltweiten Bedrohung mit Folge einer absoluten Ausnahmesituation entwickelt war für uns nicht vorstellbar.
Wann wurde Ihnen das erste Mal bewusst, dass die Pandemie zu einer echten Existenz-Krise für die Hotellerie & Gastronomie werden wird?
Als überregional bekanntes Tagungshotel fingen Mitte Februar 2020 die großen Firmen aus der Automobilindustrie und Versicherungsbranche an erste Veranstaltungen zu verschieben oder häufiger zu stornieren. Der Tag bestand darin Fragen zu der Entwicklung der Pandemie zu beantworten, was wir ja nicht konnten. Kunden zu beruhigen und weitere Informationen von der Stadt und der Regierung zum weiteren Vorgehen zu bekommen. Ich erinnere mich genau an die Woche vom 9.-13. März 2020. Normalerweise schrieben wir Angebote, betreuten Kunden vor Ort und blickten in die Zukunft. In dieser Woche wurde mir und uns allen bewusst, dass die Pandemie angekommen ist. Drei Tage lang schrieb ich Ausfallrechnungen, stornierte Veranstaltungen kostenfrei und versuchte Antworten auf die vielen Fragen unserer Kunden zu finden. Dazu entwickelten wir einen Plan. Einen Plan wie wir ein Hotel mit 78 Zimmern, Schwimmbad- und Saunabereich und einem fast neuen à la carte Restaurant innerhalb weniger Tage von 24 Stunden Betrieb an 365 Tagen im Jahr auf NULL herunterfahren konnten. Durch die allumfassende große Unsicherheit, war hier unser oberstes Ziel die Konzentration darauf die Kosten soweit möglich herunterzufahren. Diese Zeit war für uns alle beängstigend und so surreal. Wie konnte das sein?
Welche Hilfsmaßnahmen konnten Sie bisher in Anspruch nehmen und wie einfach wahr der Zugang zu den Hilfen?
Zu Beginn der Stilllegung des Hotels im ersten Lockdown gab es fast keine Informationen über Hilfen und Möglichkeiten. Öfters kam deshalb die Frage auf, wie lange können wir das durchhalten, wie lange sind wir liquide?
Die als schnell und unkompliziert dargestellten Kredite – erwiesen sich als gar nicht so schnell. Es verging viel Zeit und das Thema zur Verlängerung der Insolvenzantragspflicht war noch nicht im Bundestag besprochen. Somit mussten auch wir uns, mit diesem beängstigenden Formular / Antrag auseinandersetzten. Ungewollt, bereit für die Abgabe des Antrags beim Landauer Amtsgericht erhielten wir am Abgabetag endlich die Zusage für einen Kredit. Somit konnten wir die ganzen gestundeten Rechnungen begleichen. Darüber waren wir sehr glücklich. Danach folgte die Beantragung der Überbrückungshilfe II und folgend die Überbrückungshilfe III.
Heute, Anfang Mai stehen wir wieder erneut da und warten, wieder einmal stillgelegt, darauf dass uns der 2. Teil der ÜIII – die für die Monate April, Mai und Juni angesetzt wurden bereitgestellt werden.
Konnten Sie Ihren Betrieb während der Lockdowns aufrechterhalten und wenn ja, in welchem Umfang? Welche Veränderungen waren hierfür erforderlich?
Von 365 Tagen in 2020 war unser Haus knapp über 100 Tage geschlossen – fast 30%.
Am 16. März fingen wir an das Hotel stillzulegen. In der ersten Zeit wurden Überstunden abgebaut und alle Festangestellten Mitarbeiter:innen in Kurzarbeit geschickt. Unsere Auszubildenden und unser Geschäftsführender Direktor waren täglich vor Ort um das Telefon weiter besetzt zu halten, Post anzunehmen und die letzten Arbeiten vorzunehmen.
Nach einer unendlich langen Zeit der Resignation, die für uns alle beruflich und privat mit vielen Einschränkungen und Herausforderungen einherging, durften wir Ende Mai 2020 wieder Gäste im Gastronomie-Bereich und kurz danach im ganzen Haus begrüßen.
Dies stellte uns abermals vor eine Herausforderung. Die Brasserie Wein & Dein, unser Restaurant konnte mit bis zu 120 Personen besetzt sein, nach der Festlegung der Mindestabstände und Reinigungszeiten wurden es knapp 50 Personen. Auf der wunderbaren Terrasse mit Seeblick konnte wir noch 18 Personen begrüßen. Gerade im Sommer lieben unsere Gäste diese Terrasse.
In dieser Zeit war es den Menschen ein Bedürfnis wieder Lebensqualität hinzu zu gewinnen. Themen wie wohlfühlen und Genuss wurden priorisiert.
Nach dem ersten Lockdown brauchten wir eine Zeit um alles zu verarbeiten und zu begreifen. Wir waren in der ständigen Kommunikation miteinander, die neusten Beschlüsse und ersten Lockerungen wurden sehnsüchtig erwartet. Alle von der Regierung vorgeschriebenen Vorschriften haben wir in kurzer Zeit umgesetzt. Egal ob es Mindestabstände, neue Hygiene- und Sicherheitskonzepte waren. Wir haben die Bedingungen erfüllt und darüber hinaus bereits über zusätzliche Maßnahmen wie Luftreiniger, usw. gesprochen. Mit Hinblick auf den Sommer und die Wiedereröffnung konnten wir wieder richtig aktiv und kreativ werden. Kreativität- eine Eigenschaft die uns meiner Meinung nach gerade auszeichnet. Ein Team bereit neue Wege zu ebnen und nicht mehr bereit den Stillstand, die Frustration und die Hilflosigkeit zu akzeptieren.
Wir begannen Gespräche mit der Stadt, der direkt an das Haus angrenzende Konzertgarten war der perfekte Ort für eine neue Außen-Terrasse. Schnell lag die Genehmigung vor und wir waren im höchsten Gang unterwegs. 176 Plätze waren nun möglich. Möbel wurden organisiert, Partner ins Boot genommen, Flyer gedruckt, Aufsteller, Radiowerbung, einfach alles. Innerhalb kürzester Zeit waren wir im Start und damit auch über den Sommer sehr erfolgreich. Der Sommer 2020 war für uns im Verhältnis zu den Vorjahren sogar gut. Schlugen wir uns die Jahre davor mit dem Sommerloch des Tagungsmarktes herum, waren wir jetzt ein gefragtes Leisure Hotel. Die Durchschnittliche Aufenthaltsdauer erhöhte sich von 1,7 auf 2,2 Nächten. Der Doppelbelegungsfaktor von 40% zu 60% im Vergleich mit dem Vorjahr.
Im Herbst 2020 war es für normale Verhältnisse sehr ruhig. Am 2. November mussten wir die Brasserie Wein & Dein erneut schließen. Ein trauriger Tag.
Abzusehen war hier bereits die 2. Welle die im Winter 2020 erwartet wurde. Verstehen kann ich bis heute nicht warum dieser unvermeidliche 2. Lockdown von Regierungsseite nicht besser geplant wurde. Wieder musste der Hotelbetrieb von 100 auf 0 heruntergefahren werden.
Aber motiviert durch viele Mitarbeiter mit innovativen Ideen wurde bereits in der ersten Novemberwoche, eine neue Idee geboren. Das „Dinner-Zimmer“, eine innovative Idee eines Privaten Dinners in Zeiten von Social Distancing. Die Zimmer in einer Etage wurden komplett leergeräumt. Wo vorher Betten und Sessel standen kamen ein Esstisch und eine wunderschöne Dekoration hinzu. Die Idee sich ein Zimmer zu mieten und dort bequem und ohne Kontakt mit Mitarbeitern und anderen Gästen zu essen wurde nach dem Launch am 19. November so gut angenommen, dass wir bereits am 20. November für die kommenden zwei Wochenenden ausgebucht waren. Uns war zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass die „Dinner-Zimmer“ eine Grauzone waren, aber wir wollten es versuchen. Am 21. November erhielten wir die Information, dass die „Dinner-Zimmer“ nicht erlaubt sind, die Zulässigkeit wurde sogar vom Landesministerium in Mainz geprüft. Eine klare Absage – mit einer für uns heute noch nicht nachvollziehbare Begründung. War doch das Essen im Imbiss erlaubt, inklusive Schlange stehen usw. oder Wohnmobil-Dinner mit Service bis zum Platz.
Mit ungebrochener Motivation begannen wir kurz darauf mit einem Abhol- und Lieferservice. Das Team war motiviert, der erneut drohende Stillstand für viele keine Option. Zu Anfang boten wir Speisen im Glas an zum selbsterhitzen zu Hause. Dies wurde zwar angenommen, aber erst mit der Umstellung auf die Lieferung von heißen Speisen wurde eine Weiterführung des Lieferservices denkbar. Eine echte Herausforderung und eine absolute Umstrukturierung der Logistik des kompletten F&B Teams. Rezeptionsmitarbeiter wurden zu Fahrern, Servicekräfte zu Verpackern und Köche richteten nicht mehr auf schicken Tellern, sondern in biologisch abbaubaren Schalen an. Am 9. Dezember 2020 haben wir als Zeichen der Wertschätzung und als Zeichen der Hoffnung all unsere Fenster der Vorderseite in grün erleuchtet. Viele regionale Unternehmen haben sich dieser Aktion angeschlossen. Landau wurde immer grüner. Für 6 Wochen leuchteten wir jeden Abend ein Zeichen der Hoffnung hinaus.
Anfang März eröffneten wir den Mahlagarten, eine neue Möglichkeit der Außen- Gastronomie, ohne jegliches Marketingbudget wurde der Mahlagarten bereits gut angenommen. Nach insgesamt 5 Tagen mussten wir aufgrund der Verordnungen und der hohen Inzidenz den Mahlagarten wieder schließen. Zurzeit bieten wir nur Liefer- und Abholservice und wenige nicht touristisch motivierte Übernachtungen an.
Hat Ihr Betrieb die Corona-Krise bisher überlebt und welche Perspektiven, Ideen haben Sie für die Zukunft?
Grundsätzlich haben wir überlebt, bisher. Uns fehlen weiterhin jegliche Perspektiven für unser Haus und die Hotellerie im gesamten. Wie lange wir mit der aktuellen Situation weitermachen können, ist unklar. Obwohl alle Vorschriften befolgt wurden, haben wir immer noch keine Gäste.
Neben der traurigen Situation rund um das Parkhotel Landau muss parallel trotzdem weiter die Villa am Park gestalten werden. Es müssen Einrichtungen, Telefonanlagen, usw. ausgesucht und bestellt werden – alles ohne eine Perspektive.
Junge Menschen, die sich für eine Ausbildung bewerben fehlen, da Ihnen auch die Vorstellung fehlt, dass die Gastronomie eine Branche mit Zukunft ist.
Im Tagungsbereich wurden unsere Räume auf den neuesten Stand gebracht. Wir bieten Live-Streams, digitale und Hybride Tagungen an. Für unsere Mitarbeiter wurden Homeoffice Möglichkeiten geschaffen. Im ersten Quartal 2021 hat sich das Parkhotel Landau neu strukturiert und definiert. In vielen Gespräch mit externen Beratern und Profis und wöchentlichen Zoom Meetings fand eine Neuorientierung statt. Bisher waren wir ein Tagungs- und Businesshotel, jetzt sehen wir uns eher im Bereich Leisure.
Ich würde sagen, die Pandemie hat uns als Team stärker gemacht. Wöchentliche Zoom Meetings mit allen, mehr Gespräche, schnelle Entscheidungen und das Wissen: Keine Idee ist zu absurd, kein Gedanke unaussprechlich.
Ich persönlich fühle mich wertgeschätzter, und näher dran an Entscheidungen. Prozesses sind für mich nachvollziehbarer. Zusammen mit einem motivierten Team durch diese Krise zu gehen gibt mir Sicherheit & Zuversicht.
Was würden Sie den Verantwortlichen in der Politik gern mitteilen?
Ich als Privatperson und als Mitarbeiter der Hotellerie fühle mich allein gelassen. Es gibt keinerlei Perspektive und eine Hoffnung von Seiten der Regierung. Es ist als Unternehmen absolut frustrierend auf die finanziellen Mittel des Staates angewiesen zu sein und regelmäßig zu bangen, wann nun die Unterstützung auf unserem Konto eingeht um somit die Löhne der Mitarbeiter:innen, die dennoch Arbeiten erledigen müssen auch in der Schließungsphase, gezahlt werden können, anstatt selber für seine Wirtschaftlichkeit verantwortlich zu sein.
Wer es jetzt nicht schafft sich selbst und sein Team zu motivieren, der fällt schnell in ein Loch. Ich bewundere alle, die Kämpfen, für sich, für das Team und für eine Zukunft in der schönsten Branche der Welt.
Liebe Regierung beachtet die Hotellerie. 2,5 Millionen Beschäftigte in Deutschland brauchen dringend eine Perspektive.
Kerstin Ehmer, Parkhotel Landau
Eine persönliche Geschichte
- 20.05.2021